Vergangenen Freitag war ich in meinem Lieblings-Biosupermarkt. Es war 8:30 Uhr morgens – ich liebe diese Zeit, alles ist noch so frisch, blank geputzt und der Laden ist fast leer. Und es gab nur einige Mitarbeiten und drei andere Kunden im geräumigen Kreuzberger LPG-Biosupermarkt, ehemals Pferdestall der kaiserlichen Kavallerie. Als ich am Gemüseregal mich langsam an den Brokkoli herantastete, bin ich offensichtlich eine Frau, die sich auch am Gemüseregal zu schaffen machte, zu nahe gekommen. Jemand flüchtete sofort in die nächste Ecke.  Sobald ich näher als 3 Meter kam, flüchtete sie auch aus der Ecke und schaute mich angsterfüllt an.

Ich musste diese kleine Anti-Begegnung erst einmal zu Hause verdauen. Ich fragte mich, wie soll ich diesen Menschen begegnen? Wie soll ich damit umgehen? Sie einfach ignorieren? Es kamen viele Fragen, und heute morgen dann ein weiteres Kapitel im Biosupermarkt:

Dieser Mensch hat wirklich große Angst, Viren einzuatmen. Neben der üblichen Maske hat er mehrere Filter in Gebrauch, und auch sein Augenbereich ist gesondert geschützt. Er ist sehr freundlich an der Kasse, man kann ihn allerdings schwer verstehen und er kauft nur Mineralwasser, Bio-Toastbrot und einige Fertigartikel. 

In meiner Phantasie frage ich mich, wie haben diese Menschen vor der Pandemie gelebt, wovor hatten sie vor 2 Jahren Angst?

Je länger ich über diese Menschen nachdenke – es gibt keine Wahl. Ich kann sie nur mit dem selben Respekt und der selben Unvoreingenommenheit begegnen, wie alle anderen auch. Nur Unterstützung und Liebe kann etwas bewegen. Auch wenn innerlich sich mein Kopf immer wieder schüttelt.