1. Die Insel
Mit der ersten Blütezeit eines schwulen Tourismus auf Gran Canaria in den 80er Jahren erlebte Maspalomas einen weiteren Bauboom, nachdem es schon ab den frühen 70ern massentauglich erschlossen wurde. Es wurde zum schwulen Urlaubsparadies. Das Gesicht des Ortes selbst sollte man dafür gnädig ausblenden. Jenseits von Ästhetik oder gar Noblesse reihen sich Shoppingcenter an halbherzig auf pittoresk getrimmte Ferienhaussiedlungen. Es finden sich beim Dorf-im-Dorf-Prinzip Stilelemente aus Urlaubsregionen aller Herren Länder! Jedoch nur als Ornament, als Rüsche. Die mehrstöckigen Hotelbauten aus Beton beim Playa de Ingles versprechen rein gar nichts. Sie sind noch vor der Boutique-Hotel-Dekade entstanden und viel zu gewöhnlich, um als brutalistisch durchzugehen. Angereichert mit einer in die Jahre gekommenen Gartenzwergidylle, die sich hier an jeder Straßenecke findet, ist es genau so wenig schön wie auf den meisten Campingplätzen in Deutschland. Oder: Beruhigend banal. Die meisten Bauten sind zweckmäßig hässlich. Wer schwule Ästhetik sucht, sollte besser zum Strand gehen.
Als ungekröntes Haupt bildet das Yumbo-Center den Mittelpunkt einer schwulen Amüsier- und Feierlaunigkeit auf Gran Canaria; längst legendär und dabei schon wieder fürchterlich bieder. Tapfer gibt es sich weiter notorisch gut gelaunt. Aufgehübscht und beschwipst wirbt es mit schrillen Plakaten und Neonbuchstaben um Kundschaft.. Auch hier stößt man auf dieses eigenartige Laubenpieper-Flair: etwas heruntergekommen und kleinteilig ist‘s; alles so, wie man es seit Jahren kennt: Mit Trashläden, die Glamour heucheln, Happy Hour und Transenshows. Quadratisch, praktisch und gut? Zur Straße hin liegt eine Minigolfanlage. Nur sie erfreut sich dieser Tage bei den Touristen gleichbleibender Beliebtheit. Ein wahrhaft harmloses und vor allem völlig asexuelles Vergnügen für jedermann. Abends werden im Flutlicht der Anlage Selfies unter Kunstpalmen gemacht. Sieh mal, ich war im Urlaub! Obwohl es jetzt ja fast anstößig ist, noch in den Urlaub zu fliegen.
In diesen beschränkten, Abstand und Sittsamkeit fordernden Pandemie-Zeiten ist der dahinter liegende Dinosaurier vollends in einen Dornröschenschlaf gefallen. Nur wenige Männer verirren sich mit suchendem Blick im Inneren der Mall. Oft haben Sie ihr Bier aus dem nächsten Supermarkt gleich selbst mitgebracht. Feierlaune ultra light. Es ist unübersehbar: Das gute alte ‚Yumbo-Center‘ wirkt wie erstarrt, trotz der sommerlichen Temperaturen, trotz der Versprechen kleiner amouröser Abenteuer. Wird es jemals wieder zum Leben erwachen?
von Gerd Fechner
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